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Mandanteninformation / Mai 2024

Klagerisiko durch "Patenttrolle" in Deutschland?

Das Einheitliche Patentgericht (EPG) hat vor knapp einem Jahr als erstes gemeinsames Gericht für derzeit 17 EU-Mitgliedstaaten seine Arbeit aufgenommen. Die meisten Verfahren betreffen erwartungsgemäß Nichtigkeits- und Verletzungsklagen, gefolgt von einstweiligen Verfügungen und Beweissicherungsverfahren. Ein wesentlicher Vorteil des Einheitlichen Patentgerichts besteht darin, dass die Entscheidungen unmittelbar einheitliche Wirkung in bis zu 17 EU-Mitgliedstaaten entfalten und somit keine gesonderten Verfahren in den einzelnen Mitgliedstaaten geführt werden müssen. Vor diesem Hintergrund wurde vermutet, dass nicht praktizierende Unternehmen nun vermehrt in Europa klagen würden.

Unter dem Oberbegriff „nicht praktizierende Unternehmen“ (englisch „Non-Practicing Entity“, NPE) werden immer wieder Patentinhaber zusammengefasst, die ihre patentierten Erfindungen in der Regel nicht selbst am Markt verwerten. Dazu gehören Einzelerfinder und universitäre Patentverwertungsgesellschaften, aber auch sogenannte „Patenttrolle“, die aufgrund ihrer Klageflut in den USA gegen am Markt tätige Unternehmen Bekanntheit erlangten.

Bereits in einer frühen Entscheidung der Lokalkammer München des Einheitlichen Patentgerichts vom 19. September 2023 (Verfahrensnummer: UPC CFI 2/2023 betreffend EP 4 108 782 B1) wurde der Antragsteller „President and Fellows of Harvard College“ von den Antragsgegnern als nicht praktizierendes Unternehmen eingestuft. Ziel war, dass die Richter aufgrund der fehlenden eigenen Marktaktivität von Harvard kein schutzwürdiges Interesse feststellen und somit von ihrem im EPG angelegten Ermessensspielraum Gebrauch machen und keine Unterlassung anordnen. Allerdings haben die Richter in diesem Fall von ihrem Ermessen keinen Gebrauch gemacht und somit auch einem nicht praktizierenden Unternehmen in erster Instanz eine Unterlassungsanordnung im einstweiligen Verfügungsverfahren erteilt.

Da gerade Unterlassungsanordnungen gegen am Markt tätige Unternehmen ein starkes Druckmittel bei Lizenzverhandlungen darstellen, könnte diese frühe Entscheidung des Einheitlichen Patentgerichts aggressiv agierende Patenttrolle sogar ermutigen, nun auch verstärkt in Europa ihre Geschäfte aufzunehmen. Zudem verschafft der Erlass von Unterlassungsanordnungen in einstweiligen Verfügungsverfahren in Europa Patenttrollen einen Vorteil gegenüber ihren Verhandlungen in den USA, da ihnen dort aufgrund ihrer fehlenden Marktaktivität entsprechende Unterlassungsanordnungen nicht gewährt werden.

In der Tat haben Patenttrolle nach dieser frühen Entscheidung damit begonnen, Verletzungsklagen speziell im Bereich der elektronischen Nachrichtentechnik am Einheitlichen Patentgericht einzureichen (12/2023 bis 04/2024):

Übersicht Patenttrolle als Kläger

Übersicht Beklagte

Im Zentrum der Angriffe stehen derzeit Texas Instruments Inc. (Mitbeklagte Audi und Volkswagen) und Samsung Electronics Co., gefolgt von Xiaomi Inc. und Qualcomm Inc., wobei die Patenttrolle fast ausschließlich den Gerichtsstandort Deutschland und hier vornehmlich München am Einheitlichen Patentgericht wählen:     

Übersicht Verteilung der Verletzungsklagen am EPG

Die Patenttrolle scheinen an der einheitlichen Wirkung sowie dem schnellen und kostengünstigen Verfahren des Einheitlichen Patentgerichts sogar so großen Gefallen gefunden zu haben, dass sie zukünftig zunächst Verletzungsklagen am Einheitlichen Patentgericht einreichen und erst in einem zweiten Schritt in den USA klagen wollen, wie ein Gerald Padian von Atlantic IP öffentlich bekannt gab.

Deshalb gehen wir davon aus, dass nun auch in Deutschland tätige Unternehmen im Bereich Halbleiter, aber auch ganz andere technische Bereiche in den Fokus der Patenttrolle geraten werden.

Fragen?

Gerne bewerten wir Ihr individuelles Risiko, von Patenttrollen verklagt zu werden, und geben Ihnen Empfehlungen, wie Sie diesem Risiko am besten begegnen können.

Bei Fragen hierzu wenden Sie sich gerne an Ute Feldmann.